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6. September 2022 - Know-how

Buchhaltung bei einer liechtensteinischen gemeinnützigen Stiftung

Da in Liechtenstein für gemeinnützige Stiftungen und ähnliche Institutionen keine grundsätzliche Buchführungspflicht besteht, hat die Vereinigung liechtensteinischer gemeinnütziger Stiftungen und Trusts e.V. (VLGST) eine entsprechende Empfehlung herausgegeben. Bei deren Anwendung wird in der Jahresrechnung von gemeinnützigen Organisationen eine sehr hohe Transparenz geschaffen, welche nicht nur Aufschluss über das Vermögen gibt, sondern auch über die Geschäftstätigkeit und die Organisation selbst. Dabei gehen die Richtlinien gewollt über die für juristische Personen (z.B. eine AG) gesetzlichen Erfordernisse nach dem liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) weit hinaus.

Muss oder soll eine gemeinnützige Stiftung im Fürstentum Liechtenstein eine Buchhaltung führen? Und wenn ja, wie soll eine solche ausgestaltet werden? Was für Informationen sollte sie beinhalten? Genau diesen Fragen ist die Vereinigung liechtensteinischer gemeinnütziger Stiftungen und Trusts e.V. (VLGST) bereits 2018 nachgegangen. Im Januar 2019 verabschiedete sie eine entsprechende Empfehlung zur Rechnungslegung für gemeinnützige Stiftungen und andere gemeinnützige Institutionen in Liechtenstein.

Grundsätzlich gibt es im Fürstentum Liechtenstein für Stiftungen keine Buchführungspflicht, da diese in der Regel kein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreiben. Artikel 1045, Absatz 3 PGR schreibt denn auch lediglich vor, unter Berücksichtigung der Grundsätze einer ordentlichen Buchführung den Vermögensverhältnissen angemessene Aufzeichnungen zu führen und Belege aufzubewahren. Der Stiftungsrat sollte aber sowohl aus eigenem Interesse als auch für Stakeholder – wie wirtschaftlich Berechtigte/Begünstigte, Banken und andere Gläubiger, Steuerämter und sonstige Behörden sowie weitere Dritte ‒ unbedingt eine Buchhaltung führen und eine Jahresrechnung erstellen.

Bessere Aussagekraft und Vergleichbarkeit

Die Vereinigung liechtensteinischer gemeinnütziger Stiftungen und Trusts e.V. (VLGST) hat vor diesem Hintergrund festgestellt, dass in Liechtenstein ein Standard zur Rechnungslegung von gemeinnützigen Stiftungen und Organisationen fehlt. Dabei ist heute in den meisten Ländern eine einheitliche Rechnungslegung nach einem anerkannten Standard gesetzlich erforderlich, was beispielsweise in der Schweiz durch Swiss GAAP FER abgedeckt wird. In Zusammenarbeit mit der Liechtensteinischen Wirtschaftsprüfer-Vereinigung wurde deshalb eine Empfehlung ausgearbeitet, die sich an dem in der Schweiz geltenden Standard orientiert, dabei aber die Gegebenheiten von liechtensteinischen Förderstiftungen stärker berücksichtigt. Die «Empfehlung zur Rechnungslegung für gemeinnützige Stiftungen und andere gemeinnützige Institutionen in Liechtenstein» wurde am 22. Januar 2019 durch den Vorstand der VLGST verabschiedet und ab dem 1. Januar 2020 zur Anwendung empfohlen. Mit dieser Empfehlung wird durch den VLGST angestrebt, die Aussagekraft und Vergleichbarkeit der Jahresrechnung und Berichterstattung zu erhöhen. Ein wesentliches Merkmal dieser Empfehlungen ist dabei die Ergänzung der Jahresrechnung mit einer Rechnung über die Veränderung des Kapitals und einem Tätigkeitsbericht, wodurch dem spezifischen Charakter Rechnung getragen wird.

Gemeinnützige oder wohltätige Zwecke

Als gemeinnützige Stiftungen und andere gemeinnützige Institutionen gelten Organisationen, die gemeinnützige oder wohltätige Zwecke verfolgen, durch deren Erfüllung die Allgemeinheit gefördert wird, und zwar ungeachtet ihrer Rechtsform. Unter Förderung der Allgemeinheit wird verstanden, dass die Tätigkeit dem Gemeinwohl auf karitativem, religiösem, humanitärem, wissenschaftlichem, kulturellem, sittlichem, sozialem, sportlichem oder ökologischem Gebiet erfolgt. Dabei kann die Tätigkeit auch nur einen bestimmten Personenkreis fördern. Wichtig dabei ist, dass sich der Kreis der Leistungsempfänger in der Regel vom Kreis der Leistungserbringer (Spender, Stifter, Gönner) unterscheidet. Die Gemeinnützigkeit muss ausschliesslich und unwiderruflich verfolgt werden, was in den Statuten festgehalten wird.

Grundlagen und Grundsätze der Jahresrechnung

Wenn sich eine Stiftung o.ä. den Empfehlungen anschliesst, hat sie auf Ende des Geschäftsjahres innerhalb von neun Monaten eine Jahresrechnung im Sinne der Empfehlung zu erstellen. Dabei kann jede frei konvertierbare Währung gewählt werden. Die Jahresrechnung muss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermitteln (True & Fair View). Dabei sind die Grundlagen der ordnungsmässigen Rechnungslegung und Berichterstattung zu befolgen: die Fortführung der Tätigkeit sowie die Wesentlichkeit.

Aufwand und Ertrag sind grundsätzlich periodengerecht abzugrenzen (Accrual Basis). Kleine Organisationen können Aufwand und Ertrag auch nach dem Geldfluss (Cash Basis) erfassen, haben dies aber im Anhang offenzulegen. Als kleine Organisationen gelten gemeinnützige Stiftungen und andere gemeinnützige Institutionen, wenn sie an zwei aufeinanderfolgenden Bilanzstichtagen zwei der nachfolgenden Grössen nicht überschreiten:

  • Bilanzsumme von zehn Millionen Franken oder dem Gegenwert in einer Fremdwährung
  • Fünf bezahlte Vollzeitstellen im Durchschnitt des Geschäftsjahres
  • Jährliche Ausschüttungen von mehr als drei Millionen Franken oder dem Gegenwert in einer Fremdwährung

Die Grundsätze ordnungsmässiger Rechnungslegung und Berichterstattung für die Jahresrechnung sind die Vollständigkeit, Klarheit und Vorsicht, die Stetigkeit bei der Darstellung, Offenlegung und Bewertung sowie das Bruttoprinzip (Verrechnungsverbot). Sofern vom Grundsatz der Stetigkeit in der Darstellung, Offenlegung und Bewertung abgewichen wird, ist dies im Einzelabschluss im Anhang darzulegen.

Für Aktiven und Passiven gilt der Grundsatz der Einzelbewertung. Die dabei angewandten Bewertungsgrundlagen und -grundsätze sind im Anhang offenzulegen. Die Aufwände und Erträge werden in der Erfolgsrechnung oder im Anhang brutto dargestellt. Sowohl im Einzelabschluss als auch im konsolidierten Abschluss sind die Zahlen des Vorjahres anzuführen. Ferner gelten die allgemeinen Konsolidierungsvorschriften entsprechend dem liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR).

Einfachere Beurteilung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage

Es lässt sich leicht erkennen, dass die vorstehend beschriebenen Grundlagen und Grundsätze der Jahresrechnung Artikel 1065 ff. PGR entsprechen oder zumindest daraus abgeleitet wurden. Dies gilt auch für die fünf Bestandteile der Jahresrechnung, nämlich Bilanz, Erfolgsrechnung, Rechnung über die Veränderung des Kapitals, Anhang und den Tätigkeitsbericht sowie für die Gliederung der Bilanz.

  • Die Bilanz soll die Passiven aufgrund der Besonderheit bei gemeinnützigen Institutionen in Eigenkapital, Fondskapital und Verbindlichkeiten unterteilen, damit die Beurteilung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage durch Dritte vereinfacht wird.
  • Die Erfolgsrechnung kann nach dem Umsatzkostenverfahren oder nach Erfolgsarten gegliedert werden. Dabei sind entrichtete Beiträge und Zuwendungen, Personalaufwand und Abschreibungen im Anhang aus Transparenzgründen gesondert auszuweisen.
  • Die Rechnung über die Veränderung des Kapitals stellt die Bestände und Veränderungen der Positionen des Fondskapitals und des gebundenen Eigenkapitals brutto dar. Dabei ist die Zweckbestimmung der verschiedenen Positionen anzugeben. Zudem sind Ausschüttungen entweder in der Rechnung über die Veränderung des Kapitals oder im Anhang einzeln auszuweisen und zu begründen.
  • Der Anhang enthält die vorstehend bereits beschriebenen Rechnungslegungsgrundsätze, die Erläuterungen zu den Positionen von Bilanz und Erfolgsrechnung, der Rechnung über die Veränderung des Kapitals sowie weitere Angaben entsprechend den Vorschriften nach PGR oder der Empfehlung der VLGST. Dabei ist der Anhang auf volle Transparenz ausgelegt. Alles, was aus Bilanz oder Erfolgsrechnung nicht im Detail ersichtlich ist, muss im Anhang aufgeführt werden. So beispielsweise der Marktwert bei Finanzanlagen, der administrative Aufwand sowie Fundraising- und allgemeiner Werbeaufwand, jeweils inklusive Personalaufwand. Unentgeltliche Zuwendungen von Sachen und Dienstleistungen sind ebenfalls offenzulegen. Zudem auch der Gesamtbetrag aller Vergütungen an den Stiftungsrat und die Geschäftsführung. Und zu guter Letzt auch sämtliche Transaktionen und daraus resultierende Guthaben und/oder Verpflichtungen gegenüber nahestehenden, rechtlich selbständigen Organisationen und Personen.
  • Im Tätigkeitsbericht sollen der Zweck und die Ziele der gemeinnützigen Institution sowie die in der Berichtsperiode erbrachten Leistungen beschrieben werden. Zudem enthält er Angaben über die Mitglieder des obersten Leitungsorgans und der Geschäftsleitung, die Anzahl Vollzeitstellen sowie Verbindungen zu nahestehenden Organisationen. Weiter wird empfohlen, Angaben zur Zielerreichung bzw. eine Beurteilung derselben, aussagekräftige Kennzahlen und Vergleiche hinsichtlich Wirkung und Wirtschaftlichkeit, Aussagen über Risiken und Herausforderungen, denen die Organisation ausgesetzt ist, und allfällig ergriffener Massnahmen in den Tätigkeitsbericht aufzunehmen.

Die in der Jahresrechnung angewendeten Bewertungsrichtlinien stellen die Einheitlichkeit und Stetigkeit der Bewertung sicher. Dabei orientiert sich die Bewertung der in der Bilanz enthaltenen Positionen an den historischen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten und an den aktuellen Werten, wobei immer nach dem Vorsichtsprinzip zu bewerten ist. Abweichungen zu den im Vorjahr angewandten Bewertungsgrundsätzen sind im Anhang zu nennen und zu begründen.

Speziell zu erwähnen ist die Bewertung von Wertschriften des Umlaufvermögens (z.B. kotierte und täglich gehandelte Aktien). Diese sind zu aktuellen Werten (Marktwert) zu bewerten. Fehlt ein solcher, sind sie höchstens zum Anschaffungswert abzüglich allfälliger Wertbeeinträchtigungen (Niederstwertprinzip) zu bewerten. Letzteres gilt auch für Finanzanlagen. Werden diese hingegen zu aktuellen Werten bilanziert, sind die Wertveränderungen entweder im Periodenergebnis oder über eine separate Wertschwankungsreserve im Eigenkapital auszuweisen. Das Anlagevermögen wird stets zu Anschaffungs- oder Herstellkosten ausgewiesen, unter Abzug der notwendigen Abschreibungen, welche planmässig (zeit- oder leistungsproportional) erfolgen. Forderungen und Verbindlichkeiten sind nominal auszuweisen, ebenfalls unter Berücksichtigung einer allfälligen Wertbeeinträchtigung.

Rückstellungen sind rechtliche oder faktische Verpflichtungen und sind auf jeden Bilanzstichtag hin auf Basis der wahrscheinlichen Mittelabflüsse zu bewerten.

Die Empfehlung der VLGST enthält auch Vorgaben für Anlagepolitik bzw. Anlagerestriktionen. Auf diese wird an dieser Stelle nicht näher eingegangen.

Im Sinne einer vorbildlichen und heute auch notwendigen Transparenz wurde mit der Empfehlung zur Rechnungslegung für gemeinnützige Stiftungen und andere gemeinnützige Institutionen in Liechtenstein ein modernes und wichtiges Hilfsmittel für die Erstellung einer Jahresrechnung erarbeitet. Die Empfehlung geht dabei bewusst über den zum Beispiel für Aktiengesellschaften geltenden gesetzlichen Rahmen nach PGR hinaus, um so die Aussagekraft und Vergleichbarkeit zu erhöhen. Es ist zu hoffen, dass diese Empfehlungen vermehrt angewendet werden, damit sich ein gelebter liechtensteinischer Standard durchsetzt, der auch international beachtet wird.

Von:
Andreas Brotzer
Geschäftsführer
First Accounting Establishment

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